LESEPROBEaus Teil III: FINDESCHMERZ UND FINDEGLÜCK
Von einem Hügel leuchtete in Riesenbuchstaben 'HOLLYWOOD'. Jan war angekommen im Land der Freiheit, der Zukunft und der Zahlen. Er wanderte hinüber zum Sunset Boulevard und bewunderte die monströsen Reklameschilder. Ein Mann in Jeans mit entblößter Pobacke spazierte vor ihm. Aus den Supermmarkt mit ausgedehnten Parkplätzen davor kamen Käufer. Sie trugen Waren in braunen Papiertüten zu ihren Autos.... Jan besuchte die Traumfabriken der Universal Studios, wo Film-Designer Geschichten schufen, möbliert mit fiesen Typen und schönen Miezen. Er nahm an einer Fernseh-Show teil. Vor der Bühne standen professionelle Vorlacher und Vorklatscher. Diese hoben blitzschnell Schilder mit 'Lachen' oder 'Klatschen' hoch, damit das Publikum wusste, wann es lachen oder klatschen musste, und die Zuschauer draußen an den Bildschirmen sehen konnten, welche tolle Stimmung in den Studios herrschte. Hierher strömten die kleinen und großen Stars aus Amerika und Europa mit ihrer Sehnsucht, Rollen für Filme zu bekommen und Glück und Dollars zu machen. Hier legten sich hübsche Teenager unter die Messer menschenfreundlicher Chirurgen, die ihre zu kleinen Brüste aufschnitten und ihnen Plastiktüten einsetzten. 20-jährige ließen sich Fettschichten von ihren Beinen saugen und Kunststoff in ihre Lippen spritzen, damit Regisseure sich nach dem Abheilen der Wunden an ihrem Anblick erfreuten und ihnen Rollen gaben. Männer ließen sich biegsame Stangen in ihre Penisse einsetzen, die sie bei Bedarf per Hand aufrichten konnten. Einige, die sich in ihren Körpern fremd fühlten und sich danach sehnten, Frauen zu sein, ließen sich ihre Gliedmaßen abschneiden und künstliche Scheiden formen, um endlich glücklich zu werden. Hier trafen sich Millionäre, Stars und andere Göttliche in exklusiven Clubhäusern, die normale Sterbliche ohne Dollars nicht betreten konnten. Hohe Zäune und uniformierte Wachleute trennten die Welten. Vor den pompösen Eingängen der Glaspaläste entstiegen die Edlen glänzenden Karossen mit Chauffeuren und gingen ihren Geschäften nach, während ihre Damen in den Boutiquen von Beverly Hill einkauften. Nach einigen Tagen sightseeing seiner neuen Umgebung fuhr Jan in sein Institut in der Nähe des Hollywood Boulevards, wo er in den nächsten Monaten das Fühlen lernen wollte. Lag hinter der großen Türe der ersehnte Eingang zum Finden seiner Seele? Goethe sagte, das Schicksal gab uns die Gefühle, "um unser wahr Verhältnis auszuspähen." Welches der vielen Gefühle in Jans Seele spähte das "wahr Verhältnis" aus? Pflanzen und Tiere schienen in klaren Beziehungen mit den Botschaften ihrer Körper und ihrer Welt zu leben; sie waren mit sich im Reinen, wussten, wer sie waren, hatten Identität und Schönheit und waren Lebenskünstler. Die Gefühle von Menschen waren anders, sprunghaft und unberechenbar. Sollten vernünftige Leute sie meiden? Aber nachts machten sich auch die Vertreter von Wissenschaft und Rationalität auf den Weg, um beim Bier Brüderschaft zu feiern oder bei den Damen des Rotlichtviertels Fühlen zu tanken. Man konnte in Geschäfte gehen, um Gefühle zu kaufen oder zu verkaufen. Flugpassagiere sprangen mit Fallschirm aus Flugzeugen, um Ängste abzulegen oder zu bekommen. Verkaufsseminare lehrten, man verkaufe nicht Waren sondern Gefühle. Durch Werbung wurden Dinge geadelt. In welches Schlamassel waren Geist und Menschenseele geraten? Jans Reise hatte ihn bis Hollywood geführt. Aufgeregte Gedanken schwirrten durch seinen Kopf. So viele Menschen waren fern von ihrem Zentrum. Sie liebten Täuschungen und zugleich litten sie unter ihnen. Mussten die Menschen die Verbindung zu ihrem tiefsten Selbst erst lernen? Jan verstand nicht, was und wo die Seele war. Würde er sie finden? zum Seitenanfang |
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